Die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland lässt sich nicht ohne die gewaltsamen Auseinandersetzungen der vergangenen Epochen erklären. Der „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ aus dem Jahr 1963 gilt als „Jahrhundertvertrag“ und Meilenstein in der deutsch-französischen Verständigungspolitik seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Ein Blick nach Verdun genügt um zu begreifen, welch enormen Schritt dieser Vertrag symbolisiert. Monatelang standen sich deutsche und französische Truppen während des Ersten Weltkriegs im Jahr 1916 gegenüber und lieferten sich in einer nie zuvor dagewesen Materialschlacht einen ergebnislosen Stellungskrieg, der rund 350.000 Menschen das Leben kostete.
Während des Zweiten Weltkriegs musste Frankreich im Sommer 1940 nur wenige Wochen nach der deutschen Invasion vor den Nationalsozialisten kapitulieren. Von Juni 1940 bis August 1944 wurde Frankreich von Deutschland besetzt. Charles de Gaulle, französischer General im Londoner Exil, appellierte an die Franzosen, den Deutschen weiterhin Widerstand zu leisten. Mit der Forces françaises libres und Unterstützung der Alliierten führte er auch während der Besetzung Frankreichs den Kampf gegen Deutschland fort. De Gaulle selbst wurde zu einem gefeierten französischen Nationalhelden und zur Symbolfigur des Kampfes gegen die Nationalsozialisten. Als provisorischer Regierungschef nach dem zweiten Weltkrieg galt de Gaulles außenpolitisches Hauptziel der langfristigen, unwiderruflichen Schwächung des besiegten Deutschlands. Nie wieder sollte der Nachbar in die Lage versetzt werden, Frankreich anzugreifen.
Wie groß das Wunder der Versöhnung beider Staaten ist, zeigt sich daran, dass es ausgerechnet Charles de Gaulle war, der keine 20 Jahre nach dem Kampf gegen die Besatzer seines Landes, am 22. Januar 1963 als französischer Staatspräsident mit Bundeskanzler Konrad Adenauer im Élysée-Palast den „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ unterzeichnete. In der einleitenden Gemeinsamen Erklärung versicherten de Gaulle und Adenauer, „dass die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk, die eine Jahrhunderte alte Rivalität beendet, ein geschichtliches Ereignis darstellt.“ Mit dem Vertrag wollte man dem Ziel und der Erkenntnis folgen, „dass die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern einen unerlässlichen Schritt auf dem Wege zu dem vereinigten Europa bedeutet.“
Der Vertrag erwies sich als Getriebe des deutsch-französischen Motors in Europa. Beide Staaten versicherten, einander in Fragen der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik zu konsultieren. Besondere Fortschritte wurden in den Jugendfragen gemacht. Die jeweiligen Sprachkenntnisse sollten gefördert werden. Im Juli 1963 entsprang aus dem Élysée-Vertrag das Deutsch-Französische Jugendwerk. Mehr als 8,4 Millionen junge Menschen aus Deutschland und Frankreich haben seither an Austauschprogrammen und Begegnungen teilgenommen.
In dieser Woche haben der Deutsche Bundestag und die Französische Nationalversammlungen nun in Berlin und Paris gemeinsam den 55. Jahrestag des Élysée-Vertrags gefeiert. Wir nehmen diesen Jahrestag als Auftrag, der bilateralen Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich neues Leben einzuhauchen. Der Vertrag war entscheidender Wegbereiter für das Friedensprojekt Europa nach Zeiten der Zerstörung. Für die Zukunft geht es für Deutschland und Frankreich darum, die Europäische Union zu erneuern. Das kann nur gelingen, wenn beide Staaten gemeinsam als Impulsgeber vorangehen. Für uns Freie Demokraten ist klar, dass Fortschritte in den Feldern Energie, Sicherheit und Digitales nur als gesamteuropäische Projekte erfolgreich sein können.